Eine Messe, zwei Sprachen: Pragmatische Lösungen für die Kommunikation und das Verständnis zwischen den verschiedenen Sprachgruppen

Neben Whirlpools, Küchengeräten und Vieh konnten sich die Besucher*innen an der diesjährigen BEA Bern auch den über 200 m2 grossen Stand «#Bilinguisme BE» vom Forum für die Zweisprachigkeit anschauen. Das CeDiLE hat die reichhaltige Ausstellung besucht und mit Virginie Borel, Geschäftsführerin des Forums, über die verschiedenen Tätigkeitsbereiche der Stiftung gesprochen. Ein Interview.

Die BEA fand dieses Jahr bereits zum 69. Mal statt und versprach auf dem BERNEXPO-Gelände jede Menge Emotionen, Genuss und Action. Die Besucher*innen erwarteten unzählige Stände, welche ganz verschiedene Sachen wie Möbel, Wein, E-Bikes und Nahrungsmittel vorstellten und verkauften. Inmitten der Ausstellung fand sich ein Stand, der sich mit der Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit im Kanton Bern und in der Schweiz beschäftigte. Bereits von Weitem sprang ein 25 Meter langes Kunstwerk der Illustratorin Caro ins Auge, das den ganzen Kanton Bern und verschiedene Persönlichkeiten des Kantons zeigte. Wie gut die Besucher*innen den Kanton Bern kennen, konnte mit einem Quiz getestet werden. Das eigene Wissen konnte nicht nur in Bezug auf bekannte Persönlichkeiten getestet werden: Auf einem Whiteboard mussten deutsch- bzw. französischsprachige Ortsnamen dem jeweiligen Pendant in der Partnersprache zugeordnet werden. Eine musikalische Aktivität brachte den Zuhörer*innen die Mehrsprachigkeit in Liedern von Berner Künstler*innen näher, während typische Helvetismen auf einem grossen Bildschirm entlarvt wurden. Wie viele Einwohner*innen des Kantons bezeichnen das Französische als Erstsprache? Diese und ähnliche Fragen mussten beantwortet werden, um beim grossen #BilinguismeBE-Quiz zur Zweisprachigkeit im Kanton Bern Punkte zu sammeln. In einem weiteren Bereich der Ausstellung stellten sich täglich wechselnde Partnerinstitutionen des Forums vor.

Doch was ist das Forum für die Zweisprachigkeit? Was sind dessen Ziele und Aktivitäten? Um mehr darüber zu erfahren, hat das CeDiLE Virginie Borel getroffen, welche uns in einem Interview Auskunft über das Forum gegeben hat.

Communication et compréhension, c’est les deux mots-clés.

CeDiLE: Können Sie uns und unseren Leser*innen erklären, was das Forum für die Zweisprachigkeit ist?

Das Forum wurde im Jahre 1996 gegründet. Der Auslöser dafür war der Umstand, dass sich die Französischsprachigen gegenüber den Deutschsprachigen in Biel benachteiligt fühlten. Die französischsprachigen Personen sollten sich wohlfühlen, auch wenn Biel zu dieser Zeit noch keine offiziell zweisprachige Stadt war. Es gab also eine Bewegung, welche die Zweisprachigkeit offiziell machen wollte. Ein Teil davon war das Forum für die Zweisprachigkeit. Heutzutage ist das Ziel des Forums ein leicht anderes: Es sollen Werkzeuge zur Verfügung gestellt werden, welche das Verständnis und die Kommunikation zwischen den zwei grossen Sprachgruppen fördern. Doch es geht nicht nur um Deutsch und Französisch, sondern auch um das Schweizerdeutsche, um das Italienische, das Rätoromanische und um die vielen verschiedenen Fremdsprachen, die tagtäglich in unserem Land gesprochen werden. Biel nutzen wir als Testlabor für unsere Projekte, welche wir sodann auf kantonale und nationale Ebene ausweiten.

Pour moi il faut que les langues soient vivantes, entendues, vues, lisibles. On se bat pour ça.

Welche verschiedenen Projekte verfolgt das Forum? Was wird konkret gemacht?

Es sind grundsätzlich drei verschiedene Projekte, welche momentan im Vordergrund stehen: Sprachtandems, das Labelling sowie die Sprachbarometer.

Bei den Sprachtandems geht es darum, dass zwei verschiedensprachige Sprecher*innen sich treffen, um die Sprache des*der jeweils anderen zu lernen bzw. zu verbessern. Dafür haben wir eine Onlineplattform (e-tandem.ch) gegründet, welche die Kontaktaufnahme ermöglicht. Das gleiche Prinzip wenden wir bei edu.e-tandem an, welche sich auf die Hochschulen konzentriert. Unsere Projekte werden immer auf verschiedenen Ebenen eingesetzt: So entwickeln wir etwas, das von der lokalen Ebene auf die nationale Ebene oder eine andere Region übertragen werden kann. Die Tandems wurden z.B. für die Bevölkerung Biels konzipiert, wir haben sie aber für das Inselspital und das Kantonsspital Freiburg angepasst, da dort Bedarf bestand. Das Personal des Inselspitals kann so seine Französischkenntnisse aufbessern, dasjenige aus Freiburg seine Deutschkenntnisse, indem zweisprachige Tandems gebildet werden.

Das Label «zweisprachig» wird an Unternehmen und Organisationen verliehen, welche die Zweisprachigkeit grossschreiben. 30% des Personals muss die Minderheitensprache sprechen. Dabei geht es um die interne Zweisprachigkeit (ich kann meine Sprache sprechen und verstehe diejenige meiner Gesprächspartner*innen) und um die externe Zweisprachigkeit (Kommunikation gegen aussen). Dafür haben wir Expert*innen engagiert. Darüber hinaus gibt es auch ein Label «mehrsprachig» für mehrsprachige Institutionen. Das Zertifikat «Engagement bilinguisme» ist eine abgespeckte Form des Labels mit weniger hohen Anforderungen und wird u.a. an Organisationen und Unternehmen, die nicht direkt an der Sprachgrenze angesiedelt sind, verliehen.

Beim dritten Bereich geht es um den zweisprachigen Barometer, einen Fragebogen zum Thema Zweisprachigkeit. Damit kann die Zufriedenheit der Bevölkerung mit der Zweisprachigkeit evaluiert werden. Bei der letzten Erhebung in der Stadt Biel konnte so gezeigt werden, dass es für französischsprachige Personen schwierig ist, Arbeit zu finden, während dies für die Deutschsprachigen, welche nur Deutsch sprechen, nicht festgestellt werden konnte. Der Barometer wurde vor Kurzem auch in zwei Walliser Bezirken eingesetzt, welche über eine Fusion nachgedacht haben.

Sie sprechen vom Forum für die Zweisprachigkeit als pragmatische Institution. Inwiefern wird auf die Wissenschaft Bezug genommen?

Zu Beginn war vorgesehen, das Forum als wissenschaftliches Zentrum zu führen. Von dieser Idee sind wir abgekommen. Ich sehe mich nicht als Linguistin oder als Wissenschaftlerin. Es ist jedoch keineswegs so, dass wir mit der Wissenschaft nichts zu tun haben wollen. So haben wir zum Beispiel mit Professor Elmiger von der Universität Genf am Inventar des zweisprachigen Unterrichts im Kanton Bern mitgearbeitet. Darüber hinaus sind verschiedene Institutionen in unserem Stiftungsrat vertreten: Die Universität Bern, die Berner Fachhochschule und das Institut für Mehrsprachigkeit sind an der Ausarbeitung der Strategie des Forums beteiligt.

Si on veut traiter des questions linguistiques de manière pragmatique, les gens tombent rapidement sur nous. 

Welche Verbindungen gibt es zwischen dem Forum und der Fremdsprachendidaktik bzw. dem Fremdsprachenunterricht?

Wir arbeiten an einem Projekt, das «Sprachbad-Immersion» heisst und ein schulisches Austauschprojekt zwischen verschiedenen Kantonen ist. Ein ähnliches Projekt haben wir in Biel und Umgebung für die Berufsschulen initiiert. All dies mit dem Ziel, die Landessprachen auch auf Berufsschulebene nicht zu vergessen. Ich möchte noch einmal betonen: Es ist wichtig, nahe bei den Menschen zu sein, pragmatisch zu bleiben und Lösungen anbieten zu können. Was wir nicht machen, ist, Sprachlehrmittel zu erarbeiten. Wir laden aber Klassen zu uns ein und arbeiten mit ihnen. Die Lernenden füllen z.B. eine Sprachlernbiographie aus. Ich sage dann: «Wieso habt ihr Angst vor dem Französischen? Ihr habt ja bereits 15 Sprachen in der Klasse.» Es ist nämlich oft so, dass die Lernenden gegenüber dem Französischen bzw. dem Deutschen ein grosses Desinteresse zeigen. Dem wollen wir entgegenwirken.

Was waren die Beweggründe dafür, einen so grossen Stand an der BEA aufzuziehen?

Der Hauptgrund dafür war, die Bevölkerung für die Zweisprachigkeit zu sensibilisieren, und das auf eine spielerische Art und Weise. Es sollten die Vorteile der Zweisprachigkeit in den Vordergrund gerückt und die Zweisprachigkeit gestärkt werden. Es ging auch darum, die französischsprachige Seite des Kantons sichtbar zu machen. Der Stand #Bilinguisme BE wurde hierfür von verschiedenen Akteuren unterstützt: vom Verein BERNbilingue, von der Staatskanzlei sowie von der Stadt Biel. Zur Förderung des Verständnisses zwischen der französisch- und deutschsprachigen Kultur verfügt der Kanton seit 2020 über ein spezielles Budget. Ohne diese Partnerschaften wäre das Ganze nicht möglich gewesen.

Virginie Borel ist in Biel aufgewachsen und nun seit über 25 Jahren in La Neuveville wohnhaft. « Une francophone du canton de Berne, purement et simplement », wie sie sagt. Bevor Frau Borel beim Forum für die Zweisprachigkeit eingestiegen ist, war sie Journalistin und Kommunikationsfachfrau. So war sie u.a. für die südafrikanische Botschaft in Bern und die Universität Neuchâtel tätig. Vor rund 15 Jahre nahm sie schliesslich ihre Tätigkeit beim Forum für Zweisprachigkeit auf, dazumal eine «Mikroinstitution». Schnell wurden jedoch der Kanton Bern und später der Bund auf die Stiftung aufmerksam, was mehr Mittel für die Umsetzung von Projekten bedeutete. Die ursprüngliche Idee, das Forum zu einem Zentrum der Wissenschaft und Forschung zu machen, wurde zugunsten der Praxis, des Pragmatismus, fallen gelassen: Was muss unternommen werden, damit in Biel und entlang der Sprachgrenze beide Sprachen gesprochen und gebraucht werden? Welche Ideen können auf nationaler Ebene umgesetzt werden, um den Gebrauch der Landessprachen zu fördern? Dabei geht es nicht nur um die Umsetzung der Zweisprachigkeit in der Schule, sondern auch um den Bereich des Sprachaustausches, der Wirtschaft und der Politik.

Weitergehende Informationen zum Forum für Zweisprachigkeit finden Sie hier: Forum für die Zweisprachigkeit – Biel.

Die BEA Bern fand vom 29. April bis zum 8. Mai auf dem BERNEXPO-Gelände in Bern statt.

Photo by Manuel Boxler on Unsplash

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