Explaining Swiss language education policy: zum Ein- und Ausschluss von Sprachen aus den Volksschulcurricula der Schweiz (1830 bis 1980)
Conference presented in Fribourg (02.12.2019) the Ringvorlesung | Cycle de conférences
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Konferenz: Anja Giudici (Uni Oxford)
Replik: Wolfgang Sahlfeld (SUPSI Locarno)
—[Kommentar von Angela Lustenberger, MA Studentin im Mehrsprachigkeitsdidaktik @Uni Fribourg]—
Wer prägte die Schweizer Sprachenpolitik ?
In der mehrsprachigen Schweiz sollte es selbstverständlich sein, dass eine zweite Landessprache in der Schule vermittelt wird – wegen des nationalen Zusammenhalts. Anja Giudici konnte hingegen aufzeigen, dass der nationale Zusammenhalt bei der Einführung des Fremdsprachenunterrichts nicht ausschlaggebend war.
Während ihrer Tätigkeit als Assistentin in der Politikwissenschaft wurde Anja Giudici mit der Frage konfrontiert, wie mehrsprachige Gesellschaften Demokratie praktizierten. Sie fragte sich zudem, wie Schulen damit umgingen. Literatur dazu fand sie kaum. So entschloss sie sich ihre Dissertation darüber zu schreiben. Dabei ging sie unter anderem folgenden Forschungsfragen nach:
• Welche Sprachen wurden in der Schweiz gelehrt?
• Wie lässt sich der Ein- und Ausschluss der Sprachen erklären?
Welche Sprachen wurden in der Schweiz gelehrt?
Wegen der Mehrsprachigkeit und des Föderalismus konnte die Schweiz nicht einfach ein Modell aus dem Ausland übernehmen. Dies führte zu vielen Diskussionen und Entscheiden, die in Protokollen kantonaler und eidgenössischer Parlamente und Bildungskommissionen festgehalten wurden. In pädagogischen Zeitschriften kamen zudem die damaligen Akteure, etwa Lehrplanverfasser oder Lehrerverbände, zu Wort. Diese Quellen sowie Gesetze und Berichte der EDK halfen Giudici die Prozesse der Sprachpolitik in der Schweiz zu rekonstruieren.
Mitte des 19. Jahrhunderts kamen die ersten Volksschulen auf. Lange wurde davon ausgegangen, dass bereits damals Fremdsprachen unterrichtet wurden. Doch dem war nicht so. In den Kantonen Fribourg, Tessin und Zürich gab es zwar anfänglich einen Fremdsprachenunterricht, dieser verschwand jedoch mit dem Aufkommen der kantonalen Lehrpläne. Ausnahmen bildeten die Kantone Genf, Schaffhausen und Basel-Stadt.
Weshalb manche Kantone dennoch Fremdsprachen unterrichteten
Vor der Einführung des Fremdsprachenunterrichts in Basler Volksschulen, wurde dieser nur in Gymnasien erteilt. Weil sich Eltern wirtschaftliche Vorteile vom Französischunterricht erhofften, drängten diese ihre Sprösslinge in Gymnasien. Die weniger begüterten Kinder wurden ins Welschland geschickt. Beides kam bei den Basler Pädagogen nicht gut an. Die Gymnasiallehrer monierten, dass viele ihrer SchülerInnen für das Gymnasium nicht geeignet seien und Erziehungsexperten warnten vor den moralisch und geistig schädlichen Welschlandaufenthalten. Die unter Druck geratenen Basler Behörden führten daraufhin den Französischunterricht zuerst in den Knaben- und später auch in den Mädchenschulen ein.
Auch in Schaffhausen gaben die Behörden dem Druck der Eltern nach, die Petitionen einreichten und mit der Abwanderung in Privatschulen drohten.
Welche Rolle spielte der nationale Zusammenhalt?
Obwohl es Anfang des 20. Jahrhunderts den Konsens gab, dass der Fremdsprachenunterricht förderlich für den nationalen Zusammenhalt sei, spielten solche Argumente in der Praxis kaum eine Rolle. In der EDK und in den deutschsprachigen Kantonen wurde eher darüber diskutiert, dass die SchülerInnen vor allem Hochdeutsch lernen sollten, und manche auch nicht fähig seien, Französisch zu lernen.
Bloss bei Minderheiten war der nationale Zusammenhalt ein Thema. Interessant: Je kleiner die Minderheit, desto weniger umstritten war der Fremdsprachenunterricht.
Wirtschaftliche Faktoren wichtiger als nationaler Zusammenhalt
Überraschend ist, wie stark die Sprachenpolitik damals von unten her bestimmt wurde, von Lehrern und Eltern. Ausschlaggebend waren dabei vor allem wirtschaftliche Faktoren. Wie dies auch heute noch der Fall ist, wenn man sich die Diskussionen ums Frühfranzösisch in der Deutschschweiz anschaut. Und wirtschaftliche Faktoren unterminieren nach wie vor das auch in heutigen Lehrplänen auftauchende Argument des nationalen Zusammenhalts.
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