Wie wurde in den Schulen der Romandie zwischen 1830 und 1990 Deutsch gelernt?

Revoir la conférence de Viviane Rouiller et la discussion du 30.09.2019 dans le cadre du cycle de conférences | Ringvorlesung à Fribourg/Freiburg

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Apprendre la langue de la majorité des Confédérés : une discipline scolaire, entre enjeux pédagogiques, politiques, pratiques et culturels (1830-1990)

Conférencière : Viviane Rouiller (Université de Genève) | Replik : Barbara Tscharner (HEP|PH FR)

—[Commentaire de M. Sebastian Salzmann, étudiant Master en Sciences du plurilinguisme]—

Wie wichtig war es für unsere Vorfahren, sich in einer anderen nationalen Sprache zu verständigen? So wichtig, dass die allmähliche Öffnung gegenüber der deutschen Sprache in der Schulöffentlichkeit der Romandie seit dem Schulobligatorium geprägt ist von vielen Anpassungen und Entwicklungen im pädagogischen, politischen, praktischen und kulturellen Sinne, bis in der heutigen Zeit die mündliche Verständigung in der Sprache zunehmend zum Leitmotiv wurde.

Der Sprachunterricht in der Schule ist ein Thema, das auch immer wieder von den Medien aufgegriffen wird und sehr aktuell ist. In der Schweiz gilt die deutsche Sprache als dominierende Sprache, weshalb ihr auf nationaler Ebene ein grosser gesellschaftlicher Nutzen zugeschrieben wird. Nichts desto trotz ist bei den Romands die Motivation, die deutsche Sprache zu erlernen, nicht so hoch wie man erwarten könnte.

Viviane Rouiller, Dozentin für Erziehungsgeschichte an der Fakultät Psychologie und Pädagogik an der Universität Genf, hat in ihrer Doktorarbeit verschiedene Forschungsansätze kombiniert, um die Entwicklung des Deutschunterrichts in der Romandie (GE, VD und FR) zwischen 1830 und 1990 aufzuzeigen. In ihrer Forschungsarbeit geht es um die langfristige Entwicklung der Schuldisziplin Deutsch im Hinblick auf ihre vielfältigen Zwecke. So wurde Mitte des 19. Jahrhunderts ausschliesslich nach den Prinzipien der Grammatik und der Übersetzung gearbeitet, während gegen Ende desselben Jahrhunderts schon eine erste Didaktisierung der Inhalte stattgefunden hat, in dem man versucht hat, die Aneignung der deutschen Sprache attraktiver zu gestalten und so auch die Mündlichkeit der Sprache anzustreben.

Die intuitive Methode in den Anfängen des 20. Jahrhunderts verspricht sich viel von einem direkten Kontakt mit der gesprochenen Sprache und verbietet deshalb den Gebrauch der Muttersprache im Fremdsprachenunterricht. Gegen Mitte des letzten Jahrhunderts hat man viele Erwartungen in eine Mischform des Deutschunterrichts gesteckt, wobei zwischen intuitiven Themen und Grammatikthemen unterschieden wurde. Mit dem Lehrmittel ‘Wir sprechen Deutsch’ stehen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Verständnis der deutschen Sprache und die mündliche Praxis im Vordergrund. In den 80er Jahren wird dem Aspekt der « Alémanité » Rechnung getragen und auf die kommunikative Kompetenz gesetzt. Erstaunlich ist jedoch, dass zur gleichen Zeit auf der Seite der Deutschschweiz das Flair für die sprachlichen Begebenheiten im Dialekt quasi aus den Lehrmitteln verschwunden ist. So ist der Dialekt gemäss Berthele (im Druck, S. 45) in den Lehrmitteln noch bis in die 70er Jahre des 19. Jahrhunderts präsent, während der Anteil an Dialekttexten im Deutschunterricht in den 90er Jahren zurück ging, ohne jedoch ganz aus den Lehrmitteln zu verschwinden.

Durch die Berücksichtigung von Diskursen aus den verschiedenen Bereichen der Politik und Wissenschaft wird diese Entwicklung des Schulfaches Deutsch aufgezeigt. Diese unterschiedlichen Kräfte widerspiegeln sich immer wieder in der sukzessiven Anpassung des Deutschlernens, in Form von Studien- und Lehrplänen, Gesetzen, Schulvorschriften, Lehrbüchern oder Bildungszeitschriften.

Barbara Tscharner lässt eine kleine Verzweiflung als Didaktikerin durchblicken, denn die Fragen, welche in der Vergangenheit bereits gestellt wurden, sind immer noch dieselben. Die verschiedenen Ansätze in der Geschichte haben jedoch dazu geführt, dass wir bei der Handlungs- und Inhaltsorientierung angekommen sind. Es bleibt also die Frage, wie das Konzept des Deutschunterrichts angepasst werden kann, damit ‘l’allemand’ nicht mehr ‘trop scolaire’ ist.

Eines ist klar, Deutsch als Fremdsprache in der Schule zu lernen ist keineswegs eine neue Idee. Seit etlichen Jahrzehnten sind wir darum bemüht, uns diese sprachlichen Fähigkeiten anzueignen, damit wir über den Röschtigraben hinaus kommunizieren können. Es stellt sich jedoch die Frage, wie die Motivation, die Sprache des anderen zu lernen, mit den vielen Ressourcen, die unser Land zur Verfügung stellt, nachhaltig gesteigert werden kann, damit ‘l’allemand’ als Fremdsprache auch im Alltag Bestand hält.

Referenzen:
Berthele, Raphael (im Druck): Alemannisch und der Deutschunterricht. Schweizerdeutschdebatten in der Schweizer Schule seit 1950. Linguistik Online. 98. 5/19
Rouiller, Viviane (2018): Apprendre la langue de la majorité des Confédérés: une discipline scolaire, entre enjeux pédagogiques, politiques, pratiques et culturels (1830-1990). Thèse de doctorat.

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