An einer im Oktober 2021 an der PH Wallis organisierten Tagung zum Thema «Homo digitalis» haben sich Forscher*innen, Lehrende sowie weitere Fachleute mit Fragen zur Förderung der sprachlich-kulturellen Verständigung in einer mehr und mehr digitalisierten Welt auseinandergesetzt. Die Tagung und die damit verbundenen Fragestellungen stehen auch in der neuen Babyloniaausgabe im Zentrum. Das CeDiLE hat mit Bernhard Rotzer, Dozent an der PH Wallis sowie Co-Herausgeber der zweiten Babylonianummer des Jahres 2022, über die neue Ausgabe gesprochen.
Der Begriff des «Homo digitalis» bedeutet so viel wie «digitaler Mensch», wobei es beim digitalen Aspekt sowohl um die Digitalisierung (technikbezogene Fragen) als auch um die Digitalität (kulturell-gesellschaftliche sowie philosophische Fragen) geht. Es geht also um die Zukunftsfrage schlechthin: Was macht die digitale Revolution mit uns als Menschen? Zu diesem Thema wurde im letzten Oktober eine Tagung an der PH Wallis organisiert. Folgende Fragen standen dabei im Zentrum: Welches Potenzial haben digitale Medien und Ressourcen für das Lernen und Lehren von Sprachen in mehrsprachigen und multikulturellen Kontexten? Wie werden digitale Medien für das sprachlich-kulturelle Verständnis genutzt? Welches sind die Erfahrungen mit praxiserprobten Konzepten beim Einsatz digitaler Medien mit dem Ziel, Mehrsprachigkeit zu fördern? Welche Herausforderungen stellen sich in der Ausbildung sowie für die Forschung? Welches sind die Herausforderungen der Digitalisierung im Bereich der Mehrsprachigkeit?
Um die Erkenntnisse der Tagung einer breiten Leser*innenschaft zugänglich zu machen, wurden wissenschaftliche Erkenntnisse und Praxiserfahrungen zusammengetragen und erscheinen nun als neue Babyloniaausgabe.
Somit steht beim digitalen Lernen in Bezug auf die Schule nicht nur die Technikkompetenz im Vordergrund, sondern auch die kulturelle Transformation.
Bernhard Rotzer
Im vorliegenden Podcast spricht Herr Rotzer über die neue Babyloniaausgabe, die sowohl globale Übersichtsartikel als auch anwendungsbezogene Artikel enthält. Die Artikel nehmen unter anderem das Leseverhalten im digitalen Zeitalter, das Potenzial digitaler Unterrichtsmedien sowie den Einfluss des digitalen Fremdsprachenunterrichts während der Pandemie auf die Motivation der Lehrenden und Lernenden unter die Lupe. In einem zweiten Teil stehen verschiedene Lernplattformen wie «school-to-go» oder «pluriling-gr.ch» im Zentrum. Zudem werden Begriffe wie «extended reality» und «game-based learning» geklärt und das «IdeenSet Mehr Sprachen für alle» der PHBern vorgestellt. Interessante Erkenntnisse liefert ein Artikel eines italienischen Forschers, der aufzeigt, dass bei Jugendlichen das Verständnis langer Texte in gedruckter Form höher ist als in digitaler Form. Zum Schluss werden das Potenzial digitaler Medien im Latein- und Griechischunterricht, die Plattform «klett-sprachen.de» sowie der spielerische Online-Fremdsprachenunterricht untersucht und in einem letzten Artikel wird die Frage nach der veränderten Rolle der Fremdsprachenlehrpersonen im digitalen Zeitalter aufgeworfen.
Beim Fremdsprachenlernen im digitalen Zeitalter steht die Forschung erst am Anfang.
Bernhard Rotzer
Im Gespräch mit Herrn Rotzer wird klar, dass es sich um ein sehr komplexes Themengebiet handelt, das nicht nur die Hardware, sondern auch soziale Begebenheiten umfasst. Aufgrund mangelnder Studien sind Erkenntnisse zum Lernerfolg mit digitalen Medien laut Herrn Rotzer mit Vorsicht zu geniessen. Es sei jedoch davon auszugehen, dass digitale Ansätze das Potenzial hätten, die Lernwirksamkeit, die Lerneffizienz und die Motivation zu steigern. Algorithmen und künstliche Intelligenz könnten darüber hinaus Lernprozesse verbessern und das Fremdsprachenlernen könne individualisiert werden. Wichtig ist – so Herr Rotzer -, dass die Digitalisierung im Bereich der Fremdsprachendidaktik pragmatische und lösungsorientierte Hilfestellungen anbietet. Nur die Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, greife zu kurz. Digitale Programme müssten das individuelle und selbstverantwortliche Lernen stärken und methodisch vielfältig sein. Dabei müsse der Bezug zur Lebenswelt der Lernenden immer im Fokus stehen. Es gehe auch darum, das kritische Denken zu fördern: Was sind wahre Tatsachen, was «Fake News»?
Insgesamt ist davon auszugehen, dass sich der Unterricht durch die Digitalisierung zunehmend verändern wird und auch die Qualifikationen der Lehrpersonen an die neuen Begebenheiten angepasst werden müssen.
Das CeDiLE wünscht allen Leser*innen eine gute Lektüre der neuen Ausgabe von Babylonia.
Hier geht es zur neuen Ausgabe.
Hier finden Sie einen weiteren Beitrag zum Thema: Vocabulaire et digitalisation: aperçu du n1/2022 de Babylonia