Die Jahresbibliografie zur Schweizer Mehrsprachigkeitsforschung: eine wertvolle Ressource für Forschende und Fachpersonen [Interview]

Es ist nicht leicht, sich in der Vielzahl von veröffentlichten Forschungsarbeiten zum Sprachenunterricht und Sprachenlernen zurechtzufinden. Daher ist es für Forschende und Fachpersonen, die sich über wissenschaftliche Erkenntnisse auf dem Laufenden halten möchten, wichtig, sich schnell, effizient und über eine einzige Ressource über die neuesten Entwicklungen informieren zu können. Das Dokumentationszentrum des Wissenschaftlichen Kompetenzzentrums für Mehrsprachigkeit Freiburg (KFM) bietet einen solchen Service an. Jedes Jahr stellt es auf seinem Webportal eine frei zugängliche Bibliografie zur Schweizer Mehrsprachigkeitsforschung in Form einer Datenbank mit Suchfunktion zur Verfügung. In unserem Interview mit Alejandro Santano Suárez (wissenschaftlicher Bibliothekar) und Moritz Sommet (Leiter des Dokumentationszentrums) erfahren Sie mehr über die Vorteile dieses Tools und anhand des Mini-Tutorials am Schluss, wie Sie es nutzen können. 

CeDiLE: Was beinhaltet die Jahresbibliografie zur Schweizer Mehrsprachigkeitsforschung? Wie wird sie erstellt und welche Themenbereiche werden mit dem Begriff «Mehrsprachigkeit» abgedeckt?

Dokumentationszentrum: Die Jahresbibliographie wird seit 2011 publiziert und online laufend aktualisiert.

Wir streben an, alle Publikationen im Bereich der Mehrsprachigkeitsforschung in der Schweiz zusammenzustellen. Zu diesem Zweck richtet das Dokumentationszentrum einen jährlichen Aufruf an Expertinnen und Experten der einschlägigen Schweizer Institutionen, insbesondere von Universitäten und Pädagogischen Hochschulen, sowie an Fachpersonen aus unserem Netzwerk, die sich für den schweizerischen Kontext interessieren. Darüber hinaus sichten wir mehrere Schweizer Fachzeitschriften, die auf die Forschungsthemen des KFM spezialisiert sind. So tragen wir jedes Jahr über 300 Publikationen zusammen.

Die Jahresbibliografie erfasst alle Publikationen zur Schweizer Mehrsprachigkeitsforschung (insbesondere auch zur Fremdsprachendidaktik und zum Zweitspracherwerb) in einer frei zugänglichen Datenbank.

Alejandro Santano Suárez

In diesem Rahmen verwenden wir den Begriff «Mehrsprachigkeit» im weitesten Sinne. Wir erfassen Schweizer Publikationen verschiedenster Ansätze der Sprachwissenschaften. Dazu gehört natürlich die Mehrsprachigkeitsforschung im engeren Sinne, aber wir interessieren uns auch für Fremdsprachendidaktik, Psycholinguistik, Soziolinguistik, Minderheitensprachen usw.

An wen richtet sich dieses Angebot? Für welche Verwendungszwecke ist es gedacht? 

Die Jahresbibliografie richtet sich hauptsächlich an Forschende, die sich für Sprachen aus allen Perspektiven und aller Ansätze interessieren. Sie können entsprechend ihren Interessen suchen, indem sie die Sprache, die geografische Abdeckung, das Jahr der Veröffentlichung oder ein Thema aus unserer Liste vorgegebener Schlagwörter auswählen. Ausserdem gibt es eine Suchfunktion, in die man seine eigenen Schlagwörter (z.B. «Phonologie» oder «Aktionsforschung») eingeben kann und alle referenzierten Publikationen findet, die diese Begriffe in den Namen der Autorinnen und Autoren, im Titel, in den Schlagwörtern der Publikation oder auch in der Zusammenfassung enthalten.

Ausserdem nutzt das Institut für Mehrsprachigkeit die Bibliografie für interne Recherchen, um Anfragen zu beantworten, die über unseren Informationsdienst eingehen. Diese Anfragen kommen von Personen aus der Verwaltung, den Schulen oder der Zivilgesellschaft zu verschiedenen Themen wie Sprachpolitik (z.B. Mit welchen Massnahmen fördert der Bund die italienische Sprache?), Unterricht (z.B. Zwei Fremdsprachen in der Schule? Was sagt die Forschung dazu?) oder Dialektologie (z.B. Ist Schweizerdeutsch ein Dialekt oder eine Sprache?). Wir erhalten auch Anfragen von Forscherinnen und Forschern aus anderen europäischen Ländern, die sich für die Besonderheiten der Schweizer Mehrsprachigkeit interessieren.

Ausserdem nutzt das Institut für Mehrsprachigkeit die Bibliografie für interne Recherchen, um Anfragen zu beantworten, die Personen aus der Verwaltung, den Schulen oder der Zivilgesellschaft über unseren Informationsdienst senden.

Moritz Sommet

Unterscheiden sich die Forschungsthemen je nach der Sprache der Veröffentlichung oder dem Arbeitsort der Autorinnen und Autoren?

Zunächst ist festzuhalten, dass wir stets darauf achten, Publikationen aus allen Sprachregionen einzubeziehen, und systematisch Schweizer Zeitschriften in Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch auswerten. Dabei stellen wir von einem Jahr zum anderen keine nennenswerten Unterschiede hinsichtlich Verteilung der Sprachen, Sprachregionen oder Institutionen fest.

Was die Themen und Sprachen der Veröffentlichungen 2022 betrifft (die Bibliografie für 2023 befindet sich noch in Arbeit), stellen wir fest, dass in Disziplinen, die sich auf bestimmte sprachliche Varietäten konzentrieren, wie z.B. Dialektologie, tendenziell häufiger in der Sprache veröffentlicht wird, der diese Varietäten zugeordnet werden, etwa Deutsch, Französisch oder Italienisch. Forschungen, die sich mit Mehrsprachigkeit befassen, werden dagegen tendenziell häufiger auf Englisch veröffentlicht.

Welche Entwicklungen lassen sich hinsichtlich der Top-Themen und insbesondere in der Fremdsprachendidaktik beobachten?

Ausgehend von den Publikationen, die wir für 2022 erfasst haben, sind bestimmte Themen sehr präsent, wie etwa Mundartvarietäten, insbesondere die schweizerdeutschen Dialekte. Für die Fremdsprachendidaktik ist die Vielfalt der behandelten Themen jedoch zu gross, um klare Trends zu erkennen, und dies, obwohl dieser Bereich mehr als ein Drittel der verzeichneten Publikationen ausmacht. Es lässt sich höchstens sagen, dass bestimmte Themenbereiche wie zweisprachiger Unterricht, Mehrsprachigkeitsdidaktik und Lehrpersonenausbildung relativ häufig vorkommen und aus verschiedensten Blickwinkeln behandelt werden, während spezifischere Themen wie die pädagogische Anwendung von Chunks nur punktuell behandelt werden. Die Schwierigkeit, jährliche Trends zu beobachten, könnte zum Teil darauf zurückzuführen sein, dass jede Forscherin und jeder Forscher dazu neigt, sich auf ihr/sein Spezialgebiet zu konzentrieren. Abgesehen davon gibt es aber auch Themen, bei denen die Forschung auf die aktuelle Situation reagiert. So hat beispielsweise die Coronakrise zu Veröffentlichungen zu Themen wie Fernunterricht geführt.

Die Themenvielfalt ist so gross, dass schwer klare jährliche Trends ausgemacht werden können. Vielleicht liegt dies daran, dass jede Forscherin und jeder Forscher dazu neigt, sich auf ihr/sein Spezialgebiet zu konzentrieren. Wir können höchstens sagen, dass bestimmte Themenbereiche wie zweisprachiger Unterricht, Mehrsprachigkeitsdidaktik und Lehrpersonenausbildung relativ häufig vorkommen.

Alejandro Santano Suárez

Und wie kann man konkret auf die Jahresbibliografien zugreifen und sie nutzen?

Zugang zu den jährlichen Bibliografien erhalten Sie über das Webportal Mehrsprachigkeit des Wissenschaftlichen Kompetenzzentrums für Mehrsprachigkeit. Klicken Sie in der Rubrik «Sammlungen» (auf der rechten Seite des Bildschirms) auf «Bibliografie».

Die Suche braucht etwas länger, das ist normal! Scrollen Sie nach unten zum Filter «Jahr» (immer auf der rechten Seite des Bildschirms) und wählen Sie das Jahr aus, das Sie interessiert.

Kleine technische Tücke: Wählen Sie das Jahr (z.B. «2022») und klicken Sie dann unter «Sammlungen» nochmal auf «Bibliografie» (der Filter wurde zwischendurch deaktiviert). Wählen Sie nun die anderen Filter aus, die Sie interessieren (sie werden unter «Aktuelle Suchfilter» angezeigt). Die Ergebnisse werden in der Mitte unten angezeigt.


Zum (Wieder-)Entdecken: Interview über die Gründung der Schweizer Zeitschrift DIDIT zur Didaktik des Italienischen:


Foto: @BLE

Übersetzung: Susanne Obermayer

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