Multiethnolektale Jugendsprache: Merkmale und Wirkung von «Jugodeutsch» und «Balkanslang» [Weiterbildung – Anmeldung]

Datum: 28. September 2024, 8.30 Uhr-12.30 Uhr

Ort: Pädagogische Hochschule Fribourg

«Gömmer Bahnhof?» («Gehen wir Bahnhof?») oder «Gib Chugelschriiber.» («Gib Kugelschreiber.»). Dies sind gängige Formulierungen der multiethnolektalen Jugendsprache. Es handelt sich dabei nicht etwa um versehentlich fehlerhaftes Sprechen, denn hinter dieser Sprechweise steckt eine ganz spezifische Systematik. 

Möchtest du mehr über die Merkmale, die Hintergründe und die Wirkung dieser Jugendsprache erfahren? Das CeDiLE bietet am 28. September 2024 eine Weiterbildung auf Deutsch an der HEP | PH FR zu diesem Thema an. 

Die Weiterbildung wird von Marie-Anne Morand (Mehrsprachigkeitsinstitut, Fribourg) geleitet. Sie ist Postdoktorandin an der Universität Fribourg und forscht zu multiethnolektalen Sprachvarietäten im Schweizerdeutschen. Im folgenden Interview erklärt sie uns die zentralen Inhalte der Weiterbildung und warum sie für alle Lehrpersonen, die mit Jugendlichen arbeiten, von Interesse sein kann. 

Marie-Anne, was bedeutet „multiethnolektale Jugendsprache“? 

Die „multiethnolektale Jugendsprache“ ist eine wissenschaftliche Bezeichnung der Sprechweise von (meist) mehrsprachigen Jugendlichen, die untereinander kein traditionelles Schweizerdeutsch sprechen. Von den Jugendlichen selbst wird diese Sprechweise u.a. als „nicht so normales Schweizerdeutsch“ oder „Ghettospraach“ (Ghettosprache) bezeichnet; Erwachsene und die Medien verwenden oft „Jugodeutsch“ oder „Balkanslang“. Die Jugendlichen wollen sich durch diese Sprechweise abgrenzen oder ihre Identität zum Ausdruck bringen. Der Begriff „multiethnolektal“ wird verwendet, um aufzuzeigen, dass es sich um ein offenes Konstrukt mit verschiedenen Abstufungen handelt, das verschiedene Gruppen miteinbezieht. 

An wen richtet sich die Weiterbildung „multiethnolektale Jugendsprache“?

Die Weiterbildung richtet sich an alle interessierten (angehenden) Lehrpersonen, die mit Jugendlichen arbeiten. 

Sie beinhaltet zwei unterschiedliche Ebenen: Wir betrachten die Jugendsprache zum einen aus einer (meta-)linguistischen Perspektive, zum anderen aus einer didaktischen Perspektive, also wie sie im Unterricht mit Jugendlichen aufgegriffen werden kann. 

Auf der metasprachlichen Ebene geht es darum, über die Wirkung der Sprache nachzudenken. Dieser Teil ist relevant für alle Lehrpersonen, denn die Sprechweise kann einen zentralen Einfluss haben auch in Fächern ohne sprachlichen Fokus. Sie beeinflusst, wie Lehrpersonen die Schülerinnen und Schüler wahrnehmen und wie sie Leistungen beurteilen. Die Forschung hat gezeigt, dass eine gewisse Sprechweise mit höherer oder niedrigerer Intelligenz assoziiert wird. Daher ist es wichtig, dass Lehrpersonen über die Wirkung der Sprechweisen nachdenken und sich deren Auswirkungen bewusstwerden. 

Die didaktische Ebene der Weiterbildung richtet sich spezifisch an Deutschlehrpersonen. Wir schauen konkrete Methoden und Materialien an, wie Jugendsprache als Themenblock im Deutschunterricht thematisiert werden kann. 

Die Forschung hat gezeigt, dass eine gewisse Sprechweise mit höherer oder niedrigerer Intelligenz assoziiert wird. Daher ist es wichtig, dass Lehrpersonen über die Wirkung der Sprechweisen nachdenken und sich deren Auswirkungen bewusstwerden. 

Marie-Anne Morand

Kannst du noch etwas genauer ausführen, was die Teilnehmenden auf den beiden Ebenen inhaltlich erwartet?

Die Teilnehmenden werden linguistische Merkmale der Jugendsprache und die Systematik dahinter kennenlernen. Die (multiethnolektale) Jugendsprache ist keine Willkür. Man kann darin klare Muster erkennen.

An der Weiterbildung werden wir uns konkrete Beispiele von Jugendsprache anhören, die wir für unsere Forschung im Raum Zürich mit ca. 100 Jugendlichen aufgenommen haben. Anhand dieser Beispiele werden wir darüber nachdenken, wie die unterschiedlichen Sprechweisen auf uns wirken und welche Assoziationen wir damit verbinden. Dabei können wir feststellen, welche Stereotypen sich bewusst oder unbewusst gefestigt haben, und Strategien suchen, wie man sich von diesen lösen kann. 

Für die Thematisierung im Unterricht haben wir eine Werkstatt zum Sprachgebrauch und zur Sprachwirkung der Jugendlichen zusammengestellt. Bei dieser Einheit geht es darum, mit den Jugendlichen über ihre Sprachverwendung zu reflektieren. Sie sollen sich einerseits bewusstwerden, dass diese Art zu sprechen in gewissen Kontexten negativ wirken könnte und andererseits herausfinden, wie sie die Sprechweise dem Gegenüber in verschiedenen Kontexten, beispielsweise in einem Bewerbungsgespräch oder mit einer Lehrperson, anpassen können. 

Oft sind sich die Jugendlichen dessen bewusst. Trotzdem ist es wichtig, konkret mit ihnen zu überlegen, wie die Sprache angepasst werden soll und mit ihnen in die Metaebene der Sprache zu gehen. Bei unserer Forschung haben wir Jugendliche interviewt und festgestellt, dass auch die Jüngeren unter ihnen schon sehr gut über Sprache reflektieren können und Muster erkennen. Einige konnten sogar phonetische Merkmale feststellen. 

Das Thema „Jugendsprache“ eignet sich auch für den Unterricht für Deutsch als Fremdsprache, da es den Schülerinnen und Schülern einen Zugang zur authentischen Sprachverwendung ermöglicht, was motivierend wirken kann. 

Für die Thematisierung im Unterricht haben wir eine Werkstatt zum Sprachgebrauch und zur Sprachwirkung der Jugendlichen zusammengestellt. Bei dieser Einheit geht es darum, mit den Jugendlichen über ihre Sprachverwendung zu reflektieren. Sie sollen sich einerseits bewusstwerden, dass diese Art zu sprechen in gewissen Kontexten negativ wirken könnte und andererseits herausfinden, wie sie die Sprechweise dem Gegenüber in verschiedenen Kontexten, beispielsweise in einem Bewerbungsgespräch oder mit einer Lehrperson, anpassen können. 

Marie-Anne Morand

Die Sprachaufnahmen beziehen sich auf den Raum Zürich. Können die Merkmale dieser Jugendsprache auch auf andere Kontexte übertragen werden?

Ja, auf jeden Fall. Hinter der Jugendsprache steckt ein klares System. Dies kann auch auf andere Sprachen übertragen werden. Gewisse Merkmale findet man in vielen Sprachen wieder. Auch wenn sich die Beispiele aus dem Projekt auf Zürich beziehen, können sie problemlos auf andere Kontexte übertragen werden und sind zu einem grossen Teil allgemeingültig. 

Vielen Dank, Marie-Anne, für das Interview.

Wir würden uns freuen, Sie zahlreich an der Weiterbildung begrüssen zu dürfen. 

Die Anmeldung ist nun unter folgendem Link geöffnet: Weiterbildung – Pädagogische Hochschule Freiburg – Pädagogische Hochschule Freiburg (hepfr.ch) Langues allemand et bilingue

Foto von Nicolas Lobos auf Unsplash

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