30 Jahre APEPS: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des zweisprachigen Unterrichts [Rückblick]

Die Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des mehrsprachigen Unterrichts in der Schweiz (APEPS) feierte am 8. und 9. November 2024 in Sierre/Siders ihr 30-jähriges Bestehen. Rückblick auf zwei pädagogische und festliche Tage und 30 Jahre bi-plurilingualen Unterricht in der Schweiz.

De gauche à droite: Patrice Clivaz (co-président de l’APEPS), Frédéric Moix (directeur de l’ECCG à Sierre/Siders), Sandro Steiner (adjoint au Service de l’enseignement du canton du Valais), Michael Mathier (enseignant et auteur), Chiara Rossi (vice-rectrice du collège de Brigue) et Claudine Brohy (co-présidente de l’APEPS). 

Der zweisprachige Unterricht ist heute Teil der schweizerischen Bildungslandschaft und wird in zahlreichen wissenschaftlichen Evaluationen als wirksame Methode angesehen, um eine Fremdsprache zu lernen und gleichzeitig die in den unterrichteten Sachfächern angestrebten Ziele zu erreichen (s. Lehrplan 21). In den Gymnasien ist die Methode in der gesamten Schweiz seit 20 Jahren erfolgreich eingeführt, ebenso vermehrt in Berufsschulen. Für die Volksschule bedeutet dies eine langjährige Reform mit zahlreichen Herausforderungen: Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse, sprachliche sowie didaktische Ausbildung der Lehrpersonen, Bedarf an Lernmaterialien und Schwierigkeiten bei der Umsetzung neuer Projekte, insbesondere in Bezug auf Organisation und Rekrutierung von Lehrpersonen. Anlässlich ihres 30-jährigen Bestehens hat sich die APEPS vorgenommen, eine Bilanz der Errungenschaften von den 1990er Jahren bis heute zu ziehen und gleichzeitig einige aktuelle und bedeutende Projekte hervorzuheben, die Herausforderungen der Zukunft zu identifizieren und einen Ausblick auf die nächsten 30 Jahre zu wagen.

Anlässlich ihres 30-jährigen Bestehens hat sich die APEPS vorgenommen, eine Bilanz der Errungenschaften von den 1990er Jahren bis heute zu ziehen und gleichzeitig einige aktuelle und bedeutende Projekte hervorzuheben, die Herausforderungen der Zukunft zu identifizieren und einen Ausblick auf die nächsten 30 Jahre zu wagen.

Emile Jenny

An der Tagung fanden in den neuen Räumlichkeiten der Handels- und Fachmittelschule (HFMS) in Sierre/Siders im Wallis drei Plenarvorträge, sechs thematische Workshops und ein runder Tisch statt, mit viel Raum für den Austausch. Am Vortag des Kolloquiums wurden ausserdem Klassenbesuche in verschiedenen zweisprachigen Schulen (Primarstufe bis Sekundarstufe II sowie Tertiärstufe) im Kanton Wallis (Monthey, Sitten, Sierre/Siders und Brig) angeboten, insbesondere um den Teilnehmenden einen Einblick in die Praxis dieses Kantons zu geben, der in Fragen des zweisprachigen Unterrichts seit Jahrzehnten Erfahrung hat. Im Anschluss an diese Besuche gab es am frühen Abend die Gelegenheit zum Austausch über die Unterrichtsbeobachtungen und anschliessend eine Kulturkapsel über den Dichter Rainer Maria Rilke sowie einen Rundgang durch das Rilke-Museum.

Zur Eröffnung des Kolloquiums am Samstag boten Claudine Brohy, Co-Präsidentin der APEPS, und Christine Le Pape Racine, ehemalige Präsidentin der APEPS, einen Rückblick und einen Blick in die Zukunft. Diese bezogen den historischen und politischen Kontext, in dem die APEPS gegründet wurde, die Herausforderungen der Gegenwart für den zweisprachigen Unterricht (s. Brohy & Gajo, 2023) und eine Vision für die Zukunft ein. Marisa Cavalli (Europarat) betonte in ihrem Vortrag die Bedeutung der Vermittlungskompetenzen von Lehrkräften im Sinne des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens (GER) für den Aufbau von Fachwissen in zwei (oder mehr) Sprachen im bilingualen Unterricht. Gwendoline Lovey (PH FHNW) stellte Überlegungen zu zwei Möglichkeiten an, wie bilingualer Unterricht gestaltet werden kann, nämlich sprachbewusst und/oder bifokalisiert. Dieser Vortrag setzte den Fokus, anhand von praktischen Beispielen, auf die wichtige sprachliche Dimension aller unterrichteten Fächer und die Wichtigkeit, jeden Fachunterricht zu „didaktisieren“ und dabei auch diskursive Elemente (z.B. Anweisungen) zu berücksichtigen. Das Atelier von Urs Weibel (PH Bern) gab einen Überblick über die VABENE-Sequenzen: didaktisches Material für den Deutschunterricht durch Teilimmersion in der Primarschule in den Kantonen Wallis, Bern und Neuenburg. Gwendoline Lovey stellte ein im Kanton Solothurn durchgeführtes Projekt mit dem Titel „Bilingualer Unterricht an der Volksschule? Absolument!“ vor, dessen Ziel es ist, zweisprachigen Unterricht auf Französisch in der Volksschule durch das Online-Webdossier bili-macht-schule, das für die breite Öffentlichkeit offensteht, einzuführen (s. z.B. Lovey & Ganguillet, 2024). Carole Strähl, Co-Schulleiterin der Filière bilingue (FiBi) in Biel/Bienne, und Emile Jenny (HEP-BEJUNE) stellten Überlegungen zum Mathematikunterricht „im bilingualen Modus“ an der FiBi an, die mit praktischen Beispielen und den Ergebnissen aus der wissenschaftlichen Begleitung angereichert wurden (s. Jenny, 2023). Marie-Antoinette Agbessi Oberdorf (erfahrene bili-Lehrerin) berichtete über ihre Erfahrungen beim Unterrichten von NMG (Natur Mensch Gesellschaft) auf Französisch im Zyklus 2 mit zahlreichen praktischen Beispielen, die den Teilnehmenden sowie der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. In Anknüpfung an den Plenarvortrag brachte und beschrieb Marisa Cavalli Beispiele von sprachlichen Vermittlungsaktivitäten für den Aufbau von disziplinärem Wissen in zwei (oder mehr) Sprachen. Schliesslich teilte Alain Metry (PH-VS) seinen Blick auf die Entwicklung des zweisprachigen Modells für die Ausbildung von Primarlehrpersonen an der PH-VS mit, das nun weniger Zeit in der Immersion beinhaltet, dafür aber didaktische und organisatorische Aspekte der Ausbildung besser berücksichtigt. 

Die Beiträge gaben einerseits einen allgemeinen Überblick über die Entwicklungen im Bereich des zweisprachigen Unterrichts in den letzten 15 Jahren, insbesondere in den zweisprachigen Kantonen Wallis, Bern, Freiburg, sowie in den einsprachigen Neuenburg und in jüngster Zeit Solothurn. Die Referentinnen und Referenten betonten, dass mehrere Herausforderungen schrittweise gemeistert wurden, insbesondere der Austausch von Lernmaterialien und Lehrpersonen, wovon der Aufbau oder die Erweiterung von Projekten zeugen. Andererseits führten diese Interventionen in zwei Punkten zu einer vorsichtigeren Feststellung: Der zweisprachige Unterricht betrifft trotz der verschiedenen Erwähnungen in den Lehrplänen eine geringe Anzahl öffentlicher Primarschulen (während er in den Privatschulen oft Teil des Angebots ist), und die neuen zweisprachigen Ausbildungsgänge, insbesondere diejenigen, die mehrere Landessprachen berücksichtigen, sind sehr ungleichmässig über die Schweiz verteilt.

Die allgemeine Bilanz in Bezug auf den zweisprachigen Unterricht, die im Rahmen dieser Veranstaltung gezogen werden konnte, ist daher positiv, insbesondere wenn die jüngsten Entwicklungen in einigen Kantonen, vor allem in den zwei monolingualen Kantonen Neuenburg und Solothurn betrachtet werden.

Emile Jenny

Die allgemeine Bilanz in Bezug auf den zweisprachigen Unterricht, die im Rahmen dieser Veranstaltung gezogen werden konnte, ist daher positiv, insbesondere wenn die jüngsten Entwicklungen in einigen Kantonen, vor allem in den zwei monolingualen Kantonen Neuenburg und Solothurn betrachtet werden. Dennoch erkennt die APEPS wichtige Herausforderungen, die in einem komplexen Bildungskontext bestehen bleiben, insbesondere in Bezug auf die Fremdsprachen in der Schweiz oder Themen wie Inklusion und digitale Bildung. Es kann die Gefahr entstehen, dass von der Förderung des mehrsprachigen Unterrichts abgelenkt wird, der jedoch viel für die interkulturelle Verständigung und die wirtschaftliche Entwicklung zu bieten hätte.

Zur Vertiefung

Brohy, C., & Gajo, L. (2023). Immersion: enjeux didactiques et perspectives. L’Educateur, 4, 9-10.

Jenny, E. (2023). Immersion réciproque. Apprentissages et enjeux didactiques en contexte bi-plurilingue. Thèse de doctorat remaniée. Neuchâtel: Alphil. (https://www.alphil.com/971-jenny-emile-)

Lovey, G., & Ganguillet, S. (2024). Bilingualer Unterricht und Lehrpersonenmobilität in Kombination: Immersion autrement. In E. Hartmann & A. Geiger-Jaillet (éds.), Les narratifs de la frontière dans l’enseignement bilingue et transfrontalier / Narrative der Grenzen im zweisprachigen und grenzüberschreitenden Unterricht. Strasbourg: Verlag/Éditions de bonne heure.

Weitere Beiträge über die Arbeiten der APEPS: https://cedile.ch/tag/apeps

Über den Autor

Emile Jenny ist Professor für den Bereich Sprachdidaktik an der HEP-BEJUNE. Er ist Mitglied des Vorstands der APEPS (Präsident von 2022 bis 2024) und war an der Organisation dieses Kolloquiums beteiligt. Seine Vorlesungen (und Kurse) befassen sich u.a. mit zweisprachigem Unterricht, Sprachdidaktik und mit Unterricht in einem zwei- oder mehrsprachigen Kontext. Seine Forschungsinteressen liegen in der Evaluation von zweisprachigen Unterrichtsprojekten, der Analyse von Klassenpraktiken, dem Fachunterricht in zwei- und mehrsprachigen Kontexten und der Sprachdidaktik im Allgemeinen, mit einem Fokus auf Französisch als Schulsprache (FLSco), Deutsch und Englisch.

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